Vertragsärztliche Verordnung (Einweisung) ist keine Voraussetzung für die Abrechnung einer erforderlichen stationären/teilstationären Behandlung

Das Bundessozialgericht hatte sich am 19.06.2018 (Az.  B 1 KR 26/17 R) mit der Rechtsfrage zu befassen, ob einem Krankenhaus für teilstationäre erbrachte Leistungen auch dann grundsätzlich ein Vergütungsanspruch zusteht, wenn keine vertragsärztliche Verordnung durch den niedergelassenen Arzt vorliegt.

In seinem Urteil führt das Bundessozialgericht aus, dass das zugelassene Krankenhaus im Rahmen seines Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten grundsätzlich verpflichtet ist. Versicherte hätten Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist. Sinngemäß gelte nach dem Regelungszweck entsprechendes auch für den Anspruch Versicherter auf teilstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus. Die gesetzliche Regelung des § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V spreche nur beispielhaft die vollstationäre Behandlung an. Die Regelung sei aber Ausdruck des umfassend geltenden Wirtschaftlichkeitsgebots nach § 12 Abs. 1 SGB V.

Thomas Wernitz

Thomas Wernitz

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwalt Wernitz berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren. Außerdem hält er Vorträge zum Krankenhausrecht und führt Schulungen durch.

Der Vergütungsanspruch für teilstationäre Krankenhausbehandlung setze nach dem Bundesrecht keine vorherige vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung voraus. Ein Krankenhaus, das die Erforderlichkeit teilstationärer Krankenhausbehandlung nach eigener Prüfung bejahe, sei verpflichtet, den Versicherten aufzunehmen und zu behandeln. Die Verweigerung notwendiger Behandlung könne hingegen Haftungsansprüche gegenüber dem Versicherten auslösen. Fordere das SBG V ausnahmsweise eine vertragsärztliche Verordnung für den Anspruch von Krankenhausbehandlung, würde dies ausdrücklich im Gesetz geregelt werden, so z.B. in § 115a Absatz 1 SGB V für die vorstationäre Behandlung.

Die vertragsärztliche Verordnung diene dazu, dem Versicherten die nächstgelegenen Krankenhäuser zu benennen, in denen er sich – ohne selbst zu tragende zusätzliche Fahrtkosten – stationär behandeln lassen kann. Sie habe eine bloße Ordnungsfunktion, soweit das Gesetz nicht die Notwendigkeit einer Verordnung vorsehen würde. Der Vertragsarzt bestätigt mit ihr, dass nach seiner Beurteilung eine ambulante vertragsärztliche Behandlung des Versicherten einschließlich häuslicher Krankenpflege nicht ausreichend sei und Krankenhausbehandlung geboten ist. Die Verordnung sichere – auch im Interesse der Beitragszahler – die Prüfung, dass vertragsärztliche Behandlungsmöglichkeiten erschöpft seien.

Das Erfordernis einer vertragsärztlichen Verordnung lasse sich auch nicht aus dem sogenannten Arztvorbehalt ableiten. Bei der Krankenhausbehandlung obliegt die Prüfung der Erforderlichkeit im vollen Umfang den Krankenhausärzten. Es bedürfe zur Sicherung des Arztvorbehalts keiner über diese Prüfung hinausgehenden ärztlichen Sachkunde in Form einer vertragsärztlichen Verordnung.

Eine landesvertragliche Regelung, in der stets eine vertragsärztliche Verordnung von Krankenhausbehandlung gefordert wird, wenn kein Notfall vorliegt, sei unwirksam, da sie gegen Bundesrecht verstößt.

Interessant ist in diesem Zusammenhang aber auch, welchen Stellenwert das Bundessozialgericht der vertragsärztlichen Verordnung beimisst, soweit eine solche vorliegt. Dazu führt es aus, dass die Verordnung zusichere, dass die vertragsärztlichen Behandlungsmöglichkeiten erschöpft sind.

Dies schließt selbstverständlich nicht aus, dass nach § 39 SGB V in jedem Einzelfall durch die Krankenhausärzte zu prüfen ist, ob tatsächlich eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vorliegt, kann aber in Streitfällen durchaus als Argument herangezogen werden, dass zumindest auch nach Prüfung durch den niedergelassenen Arzt eine vertragsärztliche Weiterbehandlung nicht mehr ausreichend war.

Darüber hinaus erwägt das Bundessozialgericht entgegen seiner gewohnten Spruchpraxis auch haftungsrechtliche Risiken des Krankenhauses, indem es ausdrücklich darauf hinweist, dass ein Krankenhaus, das sich auf eine fehlende vertragsärztliche Verordnung berufen würde und behandlungsbedürftige Patienten zurückweist, sich unzumutbaren Haftungsrisiken aussetzt.

Dies eröffnet den Weg in Streitfragen, ob eine Krankenhausbehandlung erforderlich war, gegebenenfalls auch wieder haftungsrechtliche Aspekte mit einzubringen, die nach diesem erfreulich praxisnahen Urteil des Bundessozialgerichts zumindest mitberücksichtigt werden müssten.