Nachvergütungsanspruch für Notfallambulanzen

Beschluss des BSG vom 16.05.2018, B 6 KA 3/18 B

Sachverhalt

Das klagende Krankenhaus begehrte gegenüber der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung eine nachträgliche Korrektur bestandskräftiger Honorarbescheide für die Quartale 4/2012 bis 1/2013 zu ihren Gunsten. In den genannten Quartalen hatte die Klägerin für die in ihrer Notfallambulanz erbrachten Leistungen unter anderem die Gebührenordnungspositionen 01211, 01215, 01217 und 01219 EBM abgerechnet. Die genannten Gebührenordnungspositionen bezogen sich auf die Besuchsbereitschaft im Notfall bzw. im organisierten Notfalldienst.

Melanie Tewes

Melanie Tewes

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht

Rechtsanwältin Tewes berät und vertritt Vertragsärzte, Krankenhäuser und andere Leistungserbringer in medizinrechtlichen, vorwiegend vertragsärztlichen Angelegenheiten (Ambulanzen, Ermächtigungen).

Die Beklagte gewährte der Klägerin keine Vergütung nach den genannten Gebührenordnungspositionen. Die entsprechenden Honorarbescheide wurden bestandskräftig, da die Klägerin nicht Widerspruch erhoben hatte. Nachdem das Bundessozialgericht mit Urteilen vom 12.12.2012, B 6 KA 3/12 ER und B 6 KA 4/12 R entschieden hatte, dass der Ausschluss der Krankenhäuser von der Abrechnung der die Besuchsbereitschaft betreffenden Gebührenordnungspositionen rechtswidrig sei, wurde der EBM mit Beschluss des Bewertungsausschusses 17.12.2014, 341. Sitzung, geändert. Aufgrund der Änderung ergab sich ein Nachvergütungsanspruch für die Krankenhäuser. Da die Klägerin jedoch gegen die Honorarbescheide in den streitgegenständlichen Quartalen keinen Widerspruch erhoben hatte, verweigerte die Beklagte eine Nachvergütung. Die Klägerin stellte einen Antrag gem. § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab. Klage und Berufung der Klägerin blieben ohne Erfolg. In seiner Begründung ist das Landessozialgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte das ihr nach § 44 Abs. 2 S. 2 SGB X eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt habe. Die Entscheidung, die bestandskräftigen Bescheide nicht zurückzunehmen, sei rechtmäßig. Die Revision wurde nicht zugelassen. Hiergegen erhob die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde mit der Begründung, der Bewertungsausschuss habe trotz bereits bekannter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts mit den Besuchsbereitschaftspauschalen die Notfallambulanzen bewusst benachteiligt und sich so treuwidrig verhalten. Daher könne sich die Kassenärztliche Vereinigung nicht darauf berufen, dass die Honorarbescheide bestandskräftig geworden sind.

Entscheidungsgründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde wurde zurückgewiesen. Nach Auffassung des Bundessozialgerichts sei die Beschwerde unbegründet, weil die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht vorliege. An einer Klärungsbedürftigkeit fehle es, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt sei oder, wenn sie sich ohne weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus der bereits vorliegenden Rechtsprechung klar beantworten lasse. Für den Bewertungsausschuss sei nicht von vornherein absehbar gewesen, dass das Bundessozialgericht die getroffenen Regelungen zur Besuchsbereitschaft als rechtswidrig bewerten würde. Zur Begründung ihrer Auffassung, dass der Bewertungsausschuss mit der Einführung der Vergütungstatbestände zur Besuchsbereitschaft bewusst Vorgaben aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts umgangen habe, habe die Klägerin auf die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Bewertungsausschusses bereits vorliegende Rechtsprechung des Senats und insbesondere auf das Urteil vom 17.09.2018, B 6 KA 46/07 R verwiesen, nach der ambulante Notfallbehandlungen im Krankenhaus grundsätzlich nicht geringer vergütet werden dürfen als vergleichbare Behandlungen im organisierten vertragsärztlichen Notdienst. Dass der Bewertungsausschuss aus der zum damaligen Zeitpunkt bereits vorliegenden Rechtsprechung auf die Rechtswidrigkeit der getroffenen Regelungen zur Besuchsbereitschaft hätte schließen müssen, habe die Klägerin in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht näher dargelegt, sondern nur allgemein geltend gemacht, dass dies „kaum von der Hand zu weisen sei“ und es sich bei den Zusatzpauschalen um eine „Bevorzugung durch die Hintertür“ gehandelt habe. Gegen die Richtigkeit dieser Bewertung spreche neben den im Urteil des Landessozialgerichts angesprochenen Gesichtspunkten der Umstand, dass die Rechtslage vor der Entscheidung des Senats vom 12.12.2012 von den Instanzgerichten nicht einheitlich bewertet wurde.

Im Übrigen habe die Kassenärztliche Vereinigung nicht für ein Verschulden des Bewertungsausschusses einzustehen. Diese habe anders als die Kassenärztliche Bundesvereinigung keinen direkten Einfluss auf die Entscheidungen des Bewertungsausschusses. Die Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Bewertungsausschuss seien zweifelslos keine Erfüllungsgehilfen der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung.

Fazit

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr, wie wichtig es ist, jedes Quartal aufs neue fristgerecht Widerspruch gegen den Honorarbescheid zu erheben.