Besprechung zum Urteil des BSG vom 09.04.2019 (Az. B 1 KR 17/18 R)

Versorgungsauftrag für die Implantation von Knie-TEPS in Bayern

Sachverhalt

Das klägerische Krankenhaus ist im bayerischen Landeskrankenhausplan unter anderem mit einem chirurgischen Versorgungsauftrag aufgeführt. Es implantierte Totalendoprothesen am Kniegelenk und begehrte hierfür von der beklagten Krankenkasse die Bezahlung. Eine solche erfolgte zunächst; jedoch wurde kurz vor Ende der Verjährung und ohne Einleitung eines Prüfverfahrens beim SMD eine Verrechnung vorgenommen.

Christopher Tackenberg

Christopher Tackenberg

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwalt Tackenberg berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Die beklagte Krankenkasse begründete dies mit dem Umstand, dass für die Implantation von Totalendoprothesen ein orthopädischer Versorgungsauftrag vorausgesetzt werde. Hierbei wurde sich bezogen auf das BSG-Urteil vom 27.11.2014 – B 3 KR 1/13 R – zur Situation in Brandenburg. Im dortigen Urteil ging es ebenfalls um die Frage des Versorgungsauftrags für derartige Operationen. Die Besonderheit lag im dortigen Verfahren darin, dass der Landeskrankenhausplan einen starren Verweis auf die Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Brandenburg vom 11.11.1995 enthielt. In der damaligen Version der WBO wurde zwischen den Fachgebieten Orthopädie und Chirurgie unterschieden.

Der bayerische Landeskrankenhausplan unterscheidet zwar ebenfalls zwischen diesen beiden Fachgebieten. Die Weiterbildungsordnung der bayerischen Landesärztekammer wiederum enthält eine solche Unterscheidung seit dem Jahr 2004 jedoch nicht mehr. Vielmehr ging das Gebiet Orthopädie fortan im Gebiet Chirurgie auf. Es handelt sich seither bei der Orthopädie und Unfallchirurgie um eine Subspezialisierung im Fachgebiet der Chirurgie. Eine Verweisung vom Landeskrankenhausplan auf eine Weiterbildungsordnung gab es zum Zeitpunkt der Behandlung nicht.

Das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege gab wiederum an, dass der bayerische Landeskrankenhausplan dahingehend zu verstehen sei, dass innerhalb der dort aufgezählten Fachrichtungen grundsätzlich diejenigen Leistungen erbracht werden können, die nach der im Behandlungszeitpunkt aktuell gültigen Weiterbildungsordnung erbracht werden dürfen. Sofern es hierbei zu Überschneidungen komme, sei dagegen nichts einzuwenden.

Die beklagte Krankenkasse führte massenhafte Verrechnungen durch. Als Reaktion hierauf folgte im Krankenhausplan 2017 eine Klarstellung durch die Planungsbehörde dahingehend, dass die Fachrichtungen sich an den Gebieten der aktuellen Weiterbildungsordnung zu orientieren haben. Ausdrücklich wurde klargestellt, dass Überschneidungen zwischen den Fachrichtungen möglich sind.

Nicht nur das Sozialgericht Regensburg folgte der klägerischen Argumentation. Auch das Landessozialgericht als Berufungsinstanz hat die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Hiergegen richtete sich die von der Krankenkasse beim BSG eingelegte Revision.

Entscheidungsgründe

Das Bundessozialgericht hat die Revision zurückgewiesen. Es konnte in der Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts keinerlei Rechtsfehler entdecken. Die Aufrechnung der Krankenkasse sei durch den nicht bestehenden Rückforderungsanspruch ins Leere gegangen. So haben dem klagenden Krankenhaus wegen der stationären Behandlung die von der Beklagten gezahlten Beträge zuzüglich der von den Versicherten getragenen Zuzahlungen zugestanden. Das Urteil des LSG verstoße nicht gegen Bundesrecht oder revisibles Landesrecht und auch nicht gegen das grundgesetzliche Willkürverbot. Soweit es um die Auslegung von Landesrecht, wie hier des bayerischen Landeskrankenhausplanes, gehe, sei das Bundessozialgericht an einer Überprüfung anhand eigener Maßstäbe gehindert. Die Auslegung des Landessozialgerichts sei insofern auch für das Bundessozialgericht als Revisionsinstanz verbindlich.

Fazit

Das BSG ordnet sich in dieser Entscheidung, wie bereits in den Verfahren B 1 KR 2/18 R und B 1 KR 32/17 R, der Interpretation der jeweiligen Landessozialgerichte unter. Damit kommt den dortigen Entscheidungen eine erhöhte Bedeutungskraft zu, sofern es um die Auslegung von Landesrecht geht. Dies wird insbesondere für Fragen nach dem jeweiligen Versorgungsauftrag, der sich anhand des Landesrechts bestimmt, auch für zukünftige Verfahren maßgebliche Bedeutung haben. Dies gilt nicht nur für Fragen nach der Implantation von Prothesen. Jede medizinische Leistung lässt sich nach den in den Weiterbildungsordnungen bestimmten Fachgebieten zuordnen, an denen sich die Krankenhauspläne in allen 16 Bundesländern weit überwiegend orientieren. Insofern hat die Entscheidung Einfluss weit über den hier vorliegenden Sachverhalt und insbesondere auch über die bayerische Landesgrenze hinaus. Nach den nunmehr aufgestellten Grundsätzen werden die Weichen für den endgültigen Ausgang derartiger Verfahren bereits mit der zweitinstanzlichen Entscheidung getroffen. Für die Situation in Bayern ist nunmehr eindeutig geregelt, dass zur Implantation von Kniegelenk-Totalendoprothesen ein chirurgischer Versorgungsauftrag ausreichend ist.

Verfahrensgang

  • Sozialgericht Regensburg, Urteil vom 01.12.2016 – S 5 KR 425/16


  • Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 19.12.2017 – L 4 KR 138/17


  • Bundessozialgericht, Urteil vom 09.04.2019 – B 1 KR 17/18 R