Zur Wirkung des § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG auf die fiktiv wirtschaftliche Fallzusammenführung

Das Wirtschaftlichkeitsgebot (§12 SGB V) stellt einen der elementaren Grundsätze der Leistungserbringung im Rahmen von Leistungen des SGB V dar.  Auf Grundlage des Wirtschaftlichkeitsgebots hat das Bundessozialgericht u.a. die Grundsätze des unwirtschaftlichen Fallsplittings entwickelt.  Aus diesem Grundsatz ergäbe sich, dass, wenn absehbar sei, dass die Fortsetzung der stationären Behandlung binnen zehn Tagen in Betracht kommt, das Krankenhaus den Versicherten aus wirtschaftlichen Gründen fiktiv beurlauben müsse. Wenn das Krankenhaus einen Versicherten bei erforderlicher Krankenhausbehandlung in teilweise unwirtschaftlichem Umfang behandelt, könne dieses lediglich die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre.

Dominik Kohl

Dominik Kohl

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwalt Kohl berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wurde von den Unterinstanzen und in der Literatur kritisiert und hatte zur Folge, dass sich der Gesetzgeber zur Schaffung des § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG gezwungen sah. Demnach ist in anderen als den vertraglich oder gesetzlich bestimmten Fällen eine Fallzusammenführung insbesondere aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht zulässig. Auch wenn der Wortlaut hier Interpretationsspielraum ließ, ergab sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucksache 19/5593 S. 125f) eindeutig, dass dieses als eine Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG zu verstehen ist. Der Gesetzgeber führt hier aus: „Die Ergänzung von § 8 Absatz 5 stellt klar, dass die von den Vertragsparteien auf Bundesebene in der Fallpauschalenvereinbarung (FPV) betroffenen Abrechnungsbestimmungen zur Fallzusammenführung als abschließende Konkretisierung der Zulässigkeit einer Fallzusammenführung aus Gründen des Wirtschaftlichkeitsgebots zu verstehen sind. Eine von den Regelungen der FPV abweichende und darüberhinausgehende Argumentation zur Notwendigkeit einer Fallzusammenführung, die sich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot stützt, ist damit nicht zulässig.“

Trotz dieser nunmehr vermeintlich eindeutigen Rechtslage kam es auch im weiteren Verlauf zu einer Vielzahl von Streitigkeiten zwischen den Krankenhäusern und Krankenversicherungen. Mit Urteil vom 11.05.2023 (B 1 KR 10/22 R) hat das Bundessozialgericht den Rechtsstreit entschieden und für Klarheit gesorgt. Grundlage des Urteils waren zwei Behandlungsfälle in denen der Patient von dem Krankenhaus am 18.10.2019 entlassen und am 23.10.2019 wiederaufgenommen wurde. Die Krankenversicherung war der Auffassung, dass hier die getrennt abgerechneten Behandlungsfälle auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des BSG zusammenzuführen seien.

Die Forderung nach einer Fallzusammenführung hat das BSG unter besonderer Berücksichtigung des § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG zurückgewiesen. Der Vergütungsanspruch scheitere nicht daran, dass das Krankenhaus gegen das allgemeine Wirtschaftlichkeitsgebot verstoßen hat, indem es den Versicherten entlassen hat. Einer Kürzung des Vergütungsanspruchs nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens stehe in der hier vorliegenden Fallkonstellation seit dem 1.1.2019 grundsätzlich § 8 Abs. 5 Satz 3 KHEntgG entgegen. Eine Fallzusammenführung nach Maßgabe eines fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens solle nur noch in den entweder vom Gesetzgeber selbst oder von den Vertragsparteien in der FPV festgelegten Fällen stattfinden. Jenseits davon solle die Rechtsprechung nicht aus Anlass der Prüfung eines Einzelfalles weitere Tatbestände der Fallzusammenführung entwickeln.

Einschränkend führte das BSG noch aus, dass dies dann nicht gelten könne, wenn für die Entlassung im konkreten Einzelfall überhaupt kein nachvollziehbarer sachlicher Grund ersichtlich ist und diese offensichtlich allein dazu dient eine weitere Fallpauschale zu generieren. Ein solches Verhalten käme einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gleich und widerspräche evident dem Wirtschaftlichkeitsgebot und der damit korrespondierenden Verpflichtung des Krankenhausträgers.

Fazit

Die Einführung des § 8 Abs. 5 S. 3 KHEntgG hat für Fälle mit Aufnahmedatum ab dem 01.01.2019 zur Folge, dass – außer in absoluten Ausnahmefällen – weder eine Fallzusammenführung noch eine fiktive Beurlaubung gefordert werden kann, sofern diese nicht im Gesetz oder einem Vertrag verankert sind. Es bleibt den Selbstverwaltungspartnern unbenommen, im Rahmen der vertraglichen Regelungen weitere Fallzusammenführungstatbestände zu schaffen.