Aktuelles Urteil des Sozialgerichts Halle vom 28.03.2023 – S 8 KR 7573/19

Hauptdiagnose nach Fallzusammenführung

Die Beteiligten stritten um die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung sowie insbesondere über die Frage, welche Hauptdiagnose dem zusammengeführten Behandlungsfall – nach Rückverlegung – zugrunde zu legen war.

Sachverhalt

Die Einweisung des Patienten erfolgte am 17.08.2016 als Notfall mit der Diagnose hochgradige Zwischenwirbelraumverschmälerung. Am 21.08.2016 klagte der Patient über Brustschmerzen, Luftnot, Schmerzen im Arm und Schulter – es wurde eine operationspflichtige Aortenklappenstenose diagnostiziert. Der Patient wurde am 02.09.2016 zur Herz-OP extern verlegt und am 14.09.2016 nach Rückverlegung bis zur Entlassung am 28.09.2016 weiterbehandelt.

Das klagende Krankenhaus legte seiner Rechnung nach Fallzusammenführung für die Behandlung vom 17.08.2016 bis 28.10.2016 die Hauptdiagnose I35.0 (Aortenklappenstenose) zugrunde. Nach Prüfung durch den MDK vertrat die Krankenkasse die Auffassung, dass die Diagnose M54.4 (Lumboischialgie) als Hauptdiagnose zu kodieren wäre, sie habe die stationäre Aufnahme und die Behandlung veranlasst. Insbesondere sei die Symptomatik, die eine Verlegung mit der Diagnose I35.0 erforderlich gemacht habe, erst am 21.08.2016 aufgetreten und somit nach der DKR D002f 2016 nicht als Hauptdiagnose zu kodieren.

Kevin Roitsch

Kevin Roitsch

Rechtsanwalt

Rechtsanwalt Roitsch berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Entscheidung

Das Sozialgericht hat sich unter Zugrundelegung der Vorgaben der DKR für den Fall einer Rückverlegung aus anderen Krankenhäusern nicht der Rechtsauffassung der Krankenkasse angeschlossen. Der DKR D002f ist für diese Konstellation die folgende Regelung zu entnehmen:

„(…) Sofern beide Aufenthalte in KH A gemäß Abrechnungsbestimmungen (…) mittels einer Fallpauschale (DRG) abgerechnet werden, werden die Symptome/Diagnosen und Prozeduren beider Aufenthalte zusammen betrachtet. Auf diese Symptome/Diagnosen ist die Hauptdiagnosedefinition anzuwenden.“

Streng am Wortlaut orientiert, gelangt das Sozialgericht zu der Wertung, das gemeinsame Betrachtung bedeute, dass ein Fall vorliegt, der mit dem Aufnahmedatum des 1. beginnt und dem Entlassungsdatum des 2. Falles endet. Demnach ist Hauptdiagnose die Diagnose, die nach Würdigung des gesamten Aufenthalts für die Veranlassung der stationären Behandlung ursächlich war und bereits beim ersten Aufenthalt vorgelegen habe. Die Rechtsauffassung der Krankenkasse, es sei nur die Diagnose zu wählen, die den ersten Aufenthalt verursacht habe, wurde durch das Sozialgericht abgelehnt. Wenn nämlich nach der Aufnahme auftretende weitere Krankheiten oder Beschwerden bei einer Fallzusammenführung immer außer Betracht bleiben würden, wäre die Regelung der DKR entbehrlich. Aus der Hauptdiagnosedefinition der DKR D002f 2016 – „nach Analyse“ – ergäbe sich ferner, dass es nicht auf die Einweisungs- oder Aufnahmediagnose ankomme, sondern allein auf die objektiv zutreffende ex-post-Betrachtung der Aufnahmegründe am Ende der Krankenhausbehandlung. Die von der allgemeinen Definition aufgegriffene Begrifflichkeit der „Veranlassung“ sei auch nicht im Sinne einer strengen Monokausalität zu verstehen. Der Wortlaut fordere bereits eine Betrachtung des gesamten Krankenhausaufenthalts und nicht lediglich der Krankenhausaufnahme. Diese Auslegung des Sozialgerichts wird getragen von der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 21.04.2015 zu dem Aktenzeichen B 1 KR 9/15 R.

Ausweislich der einschlägigen Definition der DKR D002f 2016 ist auf die „Diagnose“ abzustellen, die hauptsächlich für die Veranlassung des stationären Krankenhausaufenthalts ursächlich war. Die Krankenkasse könne daher nicht gehört werden, wenn sie fordert, dass die zur Grundlage der Kodierung gemachte Krankheit im Zeitpunkt der Aufnahme auch in irgendeiner Form symptomatisch gewesen sein muss. Die einschlägige Definition nimmt die „Diagnose“ zur Grundlage und fordere gerade keine Symptomatik oder Beschwerdemanifestation.

Auch die anknüpfende Erläuterung der Begrifflichkeit „nach Analyse“ lasse keine andere Interpretation zu. Die Analyse diene zur Identifikation einer bestimmten „Krankheit“ und nicht zur Evaluation möglicher Beschwerdeursachen.

Fazit

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist zu begrüßen, da letztlich eine strenge Wortlautauslegung sowie formale Erwägungen zu einem sachgerechten Ergebnis geführt haben. Eine dezidierte Prüfung des medizinischen Einzelfalls war nicht zwingend geboten und wurde vom Sozialgericht auch nicht vorgenommen.