Vollstationäre Behandlungsnotwendigkeit bei auswärtigen Belastungserprobungen

Einmal mehr hatte sich das Bundessozialgericht in der mündlichen Verhandlung am 02.04.2025 zum Az. B1 KR 31/23 R mit der Frage beschäftigt, ob die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung bestand. Konkret ging es um die Rechtsfragestellung, ob einer vollstationären Behandlung grundsätzlich entgegensteht, dass ein Teil der Behandlung außerhalb des Krankenhauses stattfand und damit um die Frage der Abgrenzung zwischen vollstationärer und teilstationärer Behandlung.

Der Entscheidung lag folgender Lebenssachverhalt zugrunde:

Das zugelassene Krankenhaus behandelte eine Patientin im Zeitraum vom 27. September 2016 bis zum 8. Dezember 2016 wegen einer Borderline-Erkrankung, wobei sich die Patientin etwa der Hälfte der Behandlungstage länger außerhalb der Räume des Krankenhauses aufhielt. Die beklagte Krankenkasse vertrat, gestützt auf zwei Gutachten des MDK die Auffassung, dass eine primäre Fehlbelegung vorgelegen habe, weil eine teilstationäre oder ambulante Behandlung ausreichend gewesen sei.

Frank Wölfer

Frank Wölfer

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwalt Wölfer berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Das erstinstanzliche Sozialgericht Hamburg (Az. S 9 KR 5329/18) hatte nach Einholung eines Sachverständigengutachtens der Klage vollumfänglich stattgegeben. Der Sachverständige kam insoweit zu der Einschätzung, dass gerade bei der Borderline-Patientin die sogenannte Belastungserprobung außerhalb des Krankenhauses ein notwendiger und wesentlicher Behandlungsbestandteil war und dies auch aus der Dokumentation des Krankenhausaufenthaltes hervorging.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte auch vor dem Landessozialgericht Hamburg (L 1 KR 55/21) keinen Erfolg.

Die eingelegte Revision der beklagten Krankenkasse stützte sich darauf, dass die Behandlung der Patientin, welche sich in etwa die Hälfte der vollstationären Behandlungsdauer nicht im Krankenhaus aufgehalten habe, nicht dem Wesen einer vollstationären Behandlung entsprochen habe, sondern andernfalls einer intensivierten ambulanten Behandlung. Nach dem Terminbericht des BSG (10/25) zum Verhandlungstermin am 02.04.2025 (Az.: B 1 KR 31/23 R) hatte die Revision der Beklagten keinen Erfolg. Nach den Ausführungen des BSG im Terminbericht steht einer vollstationären Behandlung nicht grundsätzlich entgegen, dass ein Teil der Behandlung – wie hier im Rahmen von Belastungserprobungen – außerhalb des Krankenhauses stattfindet, solange die enge räumliche und funktionelle Anbindung an das Krankenhaus während der gesamten Behandlung durchgehend erhalten bleibt. Nach dem BSG ist eine enge Anbindung gegeben, wenn der Behandlungsplan einen stetigen Wechsel vom Behandlung im Krankenhaus und engmaschigen therapeutisch begleiteten, auswärtigen Belastungserprobungen vorsieht, während derer die Möglichkeit einer jederzeitigen Rückkehr in das Krankenhaus durch die exklusive Freihaltung eines Bettes durchgehend sichergestellt ist. Da dies vorliegend nach den Feststellungen des Landessozialgerichts der Fall war, hatte die Revision der Krankenkasse keinen Erfolg.

Ausschlaggebend für das BSG ist, vorbehaltlich der näheren Ausführungen in der noch nicht vorliegenden schriftlichen Urteilsbegründung, dass eine entsprechende Behandlungsplanung eines stetigen Wechsels von Behandlungen im Krankenhaus und engmaschigen therapeutisch begleiteten, auswärtigen Belastungserprobungen vorliegt und die jederzeitige Rückkehr in das Krankenhaus sichergestellt ist.

Da das BSG „nur“ über Rechtsfragen zu entscheiden hat und die Tatsachenfeststellung den Vorinstanzen vorbehalten ist, wird deutlich, dass einmal mehr besonderes Augenmerk auf die Dokumentation des leistungserbringenden Krankenhauses zu legen und ausschlaggebend für die Erfolgsaussichten einer Klage ist. So ist insbesondere das Augenmerk auf die Dokumentation der Behandlungsplanung mit der Darlegung der außerhalb des Krankenhauses durchgeführten Tagesexpositionsversuche als notwendiger Bestandteil der Therapie und der exklusiven Freihaltung eines Bettes (beispielsweise durch den Bettenbelegungsplan) zu legen.

Inwieweit diese Entscheidung auf andere psychische Erkrankungen oder gar somatische Erkrankungen übertragen werden kann, ist eine Frage des konkreten Einzelfalles und des der Erkrankung zu Grunde liegenden Therapiekonzeptes und es bleiben zudem die schriftlichen Urteilsgründe des BSG abzuwarten.