Verjährungsbeginn bei der Geltendmachung einer Aufwandspauschale

Urteil des Sozialgericht Hildesheim vom 11.02.2019, S 52 KR 322/17

Das Sozialgericht Hildesheim hatte sich am 11.02.2019 (Az. S 52 KR 322/17) mit der Rechtsfrage zu befassen, ob der Anspruch auf die Aufwandspauschale bereits mit Beendigung des stationären Aufenthaltes der Patienten entsteht und somit bereits zu diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist zu laufen beginnt oder erst an dem Tag, an dem der MDK die Abrechnungsprüfung zum Abschluss bringt. Für den dem Urteil zugrundeliegenden Rechtsstreit war die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist des § 45 Abs. 1 SGB I maßgeblich, wonach Ansprüche auf Sozialleistungen in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres verjähren, in dem sie entstehen.

Charlien Lorenz

Charlien Lorenz

Rechtsanwältin

Rechtsanwältin Lorenz berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Der bei der Beklagten krankenversicherte Patient wurde im Klinikum der Klägerin im Jahre 2012 behandelt. Die Beklagte hat die Behandlungsrechnung vollständig ausgeglichen, leitete jedoch das MDK-Prüfverfahren ein. Das Gutachten des MDK ist im Jahre 2013 ergangen. In diesem kam der Medizinische Dienst zwar zu dem Ergebnis, dass diverse Nebendiagnosen zu ergänzen seien, bestätigte jedoch die vom Klinikum abgerechnete DRG.

Daraufhin machte die Klägerin gegenüber der Beklagten im Mai 2013 eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro geltend. Dieser Betrag wurde von der Beklagten nicht beglichen, da die abgerechneten Nebendiagnosen nicht vollständig kodiert worden seien. Aus diesem Grund erhob die Klägerin im Jahr 2017 Klage vor dem Sozialgericht Hildesheim.

Im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte zudem die Einrede der Verjährung erhoben. Ihrer Ansicht nach sei der maßgebliche Zeitpunkt für den Verjährungsbeginn die Krankenhausbehandlung selbst. Daher sei in diesem Fall der geltend gemachte Anspruch außerhalb der Vier-Jahres-Frist des § 45 SGB I rechtshängig gemacht worden, da die Behandlung im Jahre 2012 stattfand. § 45 Abs. 1 SGB I mache den Beginn der Verjährung nicht von der Kenntnis der Voraussetzungen des Anspruchs auf eine Aufwandspauschale abhängig, sondern sei davon unabhängig.

Dass Sozialgericht Hildesheim hat die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale verurteilt.

Zunächst hat es in seinen Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die Beklagte gerade nicht durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses veranlasst wurde, ein Prüfverfahren im Sinne des § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB durchzuführen.

Nach Ansicht des Gerichts war der klägerische Anspruch auch nicht verjährt, da dieser erst an dem Tag, an dem der MDK die Abrechnungsprüfung zum Abschluss gebracht hat, entstanden ist. Die einem Kläger grundsätzlich zur Verfügung stehende Vier-Jahres-Frist des § 45 SGB I könne nicht von der Frage abhängig sein, wie rasch der gemäß § 275 Abs. 5 Satz 1 SGB V unabhängig arbeitende MDK eine Abrechnungsprüfung zum Abschluss bringe.

Fazit

Auch nach diesseitiger Auffassung kann die Einrede der Verjährung in der diesem Rechtsstreit zugrundeliegenden Fallkonstellation nicht greifen. Die Verjährungsfrist nach § 45 Abs. 1 SGB I kann nämlich erst dann zu laufen beginnen, wenn ein Anspruch existiert, der verjähren kann. Nach dem Wortlaut des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V kann die Aufwandspauschale erst geltend gemacht werden, wenn folgende Voraussetzung erfüllt ist:

 „Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrags führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten“.

Der Anspruch auf die Aufwandspauschale entsteht also nach der gesetzlichen Vorschrift erst in dem Moment, in dem das Ergebnis der MDK-Begutachtung feststeht. Vor diesem Zeitpunkt kann die Aufwandspauschale deshalb auch nicht geltend gemacht werden. Zum einen ist es nach Einleitung des Prüfverfahrens durch die Kassen nicht vorhersehbar, zu welchem Ergebnis die MDK-Begutachtung führt. Zum anderen kann nicht abgeschätzt werden, wann der Medizinische Dienst die Abrechnungsprüfung zum Abschluss bringt. Erst nach Eingang des Prüfungsergebnisses kann, abhängig davon, ob der Medizinische Dienst die Abrechnung des Klinikums bestätigt oder nicht, das Klinikum die Aufwandspauschale der Krankenkasse in Rechnung stellen.

Da es sich bei dieser Rechtsfrage um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung handelt, hat das Sozialgericht Hildesheim die Berufung zugelassen. Da die Beklagte davon sehr wahrscheinlich Gebrauch machen wird, bleibt es abzuwarten, wie diese Problematik von den nächst höheren Instanzen bewertet wird.