Ist das noch Hautflora oder darf das kodiert werden?

Rechtsprechung LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 28.05.2020 – L 6 KR 67/15 (gekürzt)

Das klagende Krankenhaus hatte die Patientin am 11.03.2010 wegen eines entgleisten Diabetes mellitus und diabetischen Fußsyndroms links stationär aufgenommen. Nebenbefundlich zeigte sich bei der Aufnahme an der linken Ferse ein ca. 4 x 4 cm großer Defekt mit Rötung und mazerierten Wundrändern. Die Patientin gab Schmerzen im linken Fuß seit vielen Wochen an. Der ambulante Pflegedienst beschreibt am Aufnahmetag   eine Wundfläche von 4 cm² mit einer Tiefe von ca. 1 mm, eine Infektion wird bejaht, eine feuchte Exsudation, eine nasse Nekrose, eine rote Epithelisierung sowie eine mazerierte, rissige, gequollene Umgebung und mazerierte Wundränder.

Sven Kohlrusch

Sven Kohlrusch

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Medizinrecht

Rechtsanwalt Kohlrusch berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Es erfolgten umgehend eine antibiotische Therapie sowie Verbände mit Jelonet und Octensipept. Am 12.03. diagnostizierte der Fußchirurg ein größenprogredientes Ulkus an der Ferse und eine oberflächliche Läsion mit putrider Sekretion sowie eine oberflächliche Nekrose und empfahl u. a. weiterhin Verbände sowie eine entsprechende Lagerung. Am gleichen Tag wurde ein oberflächlicher Wundabstrich abgenommen, welcher den Nachweis von Enterococcus faecalis und Pseudomonas aeruginose ergab. Am 15.03. wurde nach entsprechendem Antibiogramm die Antibiose umgestellt.

Die verklagte Krankenkasse und der MDK bestritten die Kodierung der Nebendiagnose B96.5! (Pseudomonas und andere Nonfermenter als Ursache von Krankheiten, die in anderen Kapiteln klassifiziert sind: Acinetobacter, und Burkholderia, Pseudomonas aeruginosa, Stenotrophomonas), da die nachgewiesenen Keime nicht Ursache des Ulcus gewesen seien. Es habe sich nur um eine Besiedlung gehandelt. Darüber hinaus handelt es sich bei dem Kode nicht um einen aus der Liste des Kap. 1 der DKR 0401, welche zum diabetischen Fußsyndrom gehörende Ergänzungskodierungen vorsehe.

Mit weiterem MDK-Gutachten wurde ausgeführt, dass das diabetische Fußsyndrom nicht durch eine bakterielle Gewebsentzündung hervorgerufen oder verursacht wurde. Erst Keimbesiedlungen von diabetesbedingten Drucknekrosen mit infiziert verändertem diabetischen Fußsyndrom würden eine Antibiotikatherapie erfordern. Das Untersuchungsergebnis stelle keinen mikrobiologischen Befund im Sinne einer zum Fußsyndrom zusätzlich vorliegenden Infektion bzw. Superinfektion dar. Es handele sich um einen nicht pathogenen „Biofilm“ ubiquitär vorkommender Bakterien, was einen abnormen und nicht kodierbaren Befund darstelle. Zudem sei die Antibiotikagabe schon vor Eingang des mikrobiologischen Befundes erfolgt, so dass ein Ressourcenverbrauch hinsichtlich der Keim-Diagnose nicht gegeben sei.

Das Sozialgericht hatte der Klage stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung wurde mit o.g. Urteil zurückgewiesen. Eine durch Pseudomonas verursachte Erkrankung in Form eines infizierten Ulcus lag vor und sei über B96.5! als Nebendiagnose zu kodieren.

Der Beklagten sei zuzustehen, dass die Pseudomonas das diabetische Fußsyndrom nicht verursacht habe, allerdings ist als verursachte Erkrankung hier das infizierte Ulcus anzusehen. Auch ein solches Ulcus wird von E11.75 erfasst, soweit kein zusätzlicher Kode zur Verfügung stehe. Dass für das infizierte Ulcus kein eigener spezifischerer Kode existiere, führe nicht dazu, dass trotz Vorliegen einer Infektion die Kodierung von B96.5! ausgeschlossen sei. Ein infiziertes Ulcus stellt ein anderes Krankheitsbild dar, als ein nicht infiziertes Ulcus.

Auch handele es sich nicht nur um eine reine Besiedlung, sondern um ein durch Pseudomonas infiziertes Ulcus. Ausweislich der Dokumentation lag eine konkrete Wirtsreaktion vor. Eine Rötung und Schmerzen im linken Fuß wurden ebenso wie mazerierte Wundränder bereits bei Aufnahme dokumentiert. Bestätigt wird das Vorliegen einer Infektion durch den Befund des Fußchirurgen als auch durch den Wundbericht des ambulanten Pflegedienstes.

Damit lag eine (mit-) verursachte Infektion durch die Pseudomonas vor. Die Diagnose B96.5! verlangt nicht, dass der Keim alleinige Ursache sei, ausreichend sei eine Mitursächlichkeit.  Der nachgewiesene Erreger hat auch einen Ressourcenverbrauch in Form von Wundverbänden, Wundabstrich und Mikrobiologie sowie Umstellung der Antibiose nach dem Antibiogramm nach sich gezogen.

Ob die Antibiose notwendig war, könne dahinstehen, da alle weiteren genannten Maßnahmen unstreitig notwendig waren und auch zumindest aufgrund des Erregernachweises erfolgten. Soweit ein Ressourcenverbrauch auf mehreren Diagnosen beruht, können alle betroffenen Diagnosen kodiert werden (vgl. DKR D003 ab dem Jahr 2010).

Ob eine Kodierung auch aufgrund der DKR D012 erfolgen könnte, könne daher dahinstehen.

Fazit

Das Landessozialgericht wendet hier in erfreulicher Deutlichkeit den Wortlaut verschiedener Kodierichtlinien als auch ICD-10 Diagnosekodes an. Nichts Anderes sollte durch ein Gericht erfolgen, da durch immer wieder bemühte Interpretationsspielräume für alle Beteiligten eine Rechtsunsicherheit damit vermieden wird.