Ambulante Kinderschlaflabore?

Aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14.11.2024, L9 KR 108/21

Die Parteien stritten um die Vergütung einer 2tägigen vollstationären Schlaflaboruntersuchung im Jahr 2017. Sämtliche ambulante Maßnahmen des damals 10 Jahren alten Kindes, welches seit Jahren nächtlich einnässte, hatten keinen Erfolg gebracht.

Das erstinstanzliche SG Berlin wies zunächst die Klage ab, da aus Sicht des Gerichts eine Behandlung unter stationären Bedingungen nicht erforderlich gewesen sei. Das Gericht hatte wie auch die beklagte Krankenkasse, die zuvor den Medizinischen Dienst nicht eingeschaltet hatte, auf die Richtlinie des GBA vom 14.06.2004 verwiesen, wonach Polysomnografien in der Regel Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung zugewiesen und daher ambulant durchzuführen seien.

Jutta Pasura

Jutta Pasura

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Sozialrecht

Rechtsanwältin Pasura berät und vertritt Krankenhäuser im Krankenhausrecht, insbesondere zur Vergütung stationärer Krankenhausleistungen, (DRG-Abrechnungen, Fallprüfungen) und hiermit in Zusammenhang stehenden Klageverfahren.

Dieser Auffassung hat das LSG Berlin-Brandenburg nunmehr eine klare Absage erteilt.

Die Durchführung der Polysomnografie sei zum Ausschluss einer durch nächtliche Krampfanfälle verursachten nächtlichen Einnässens erforderlich gewesen, da ambulante Untersuchungen und Behandlungsmethoden (wie z. B. ein Wecktrainer) ergebnislos geblieben waren.

Die zweitägige Behandlung habe auch unter stationären Bedingungen erfolgen müssen, da bei dem Kind die Hintergrundabsicherung der Kinderklinik bei Gefahr von Strangulationen, wie im Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) „Diagnostik von Schlafstörungen und schlafbezogenen Atmungsstörungen im Kindes- und Jugendalter im Schlaflabor“ beschrieben werde, in Anspruch genommen werden musste. Hierzu hat sich das Landessozialgericht auch auf in zwei Parallelverfahren eingeholte Gutachten bezogen, in denen der Gutachter die Notwendigkeit der vollstationären Untersuchungen u.a. aufgrund bestehender Strangulationsgefahren bejaht habe.

Dem stehe auch der GBA-Beschluss aus dem Jahr 2004 nicht entgegen, der sich weder auf Kinder noch auf Polysomnografien, die zum Zwecke des Ausschlusses von Anfallsleiden durchgeführt werden, beziehe.

Unabhängig davon sei die Schlaflaboruntersuchung auch deswegen erforderlich gewesen, weil entsprechende ambulante Untersuchungen nachweislich nicht zur Verfügung gestanden haben.

Sie habe auch nicht teilstationär durchgeführt werden können, da die Behandlung des Kindes über mindestens einen Tag und eine Nacht ununterbrochen und damit vollstationär geplant war und aufgrund des sog. first-night-effects und des Untersuchungsaufwandes bei Kindern diese Dauer erforderlich gewesen sei.

Die Gegenseite hat das Urteil, für welches die Revision zum Bundessozialgericht nicht zugelassen war, mit der sogenannten Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG angegriffen. Diese wurde nun mit Beschluss vom 03.04.2025, B 1KR 77/24B, mit einer umfangreichen Begründung mangels Vorliegens der Zulassungsvoraussetzungen zurückgewiesen. Das BSG hat noch einmal betont, dass bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer stationären anstelle einer ambulanten Behandlung eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen sei und bei der Feststellung des allgemein anerkannten Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse insbesondere auch Stellungnahmen einschlägiger Fachgesellschaften – hier der DGSM – eine besondere Bedeutung zukomme.

In einem zweiten Fall hatte das LSG Berlin-Brandenburg über die Erforderlichkeit einer vollstationären Schlaflaboruntersuchung bei einem 6 Monate alten Säugling zu entscheiden, bei dem von der Mutter zuvor nächtliche Schlafaussetzer festgestellt worden waren. Auch diesen Fall hat das Landessozialgericht zugunsten des Krankenhauses entschieden (Landessozialgericht vom 14.11.2024, L 9 KR 52/21). Die ebenfalls hiergegen erfolgte Nichtzulassungsbeschwerde beim BSG blieb auch erfolglos.

Das LSG hat damit umfangreich bestätigt, dass Schlaflaborleistungen bei Kindern nicht ambulant, sondern regelhaft stationär zu erbringen sind. Die Bezugnahme auf das Positionspapier der DGSM enthalte verschiedene nachvollziehbare Gründe (Signalausfälle, erhöhter Bewegungsdrang und Strangulationsgefahren), die neben der Tatsache, dass ambulante Schlaflabore nach wie vor nicht zur Verfügung stehen, eine stationäre Bedingung erforderlich machen.

Die nunmehr rechtskräftigen zweitinstanzlichen Entscheidungen waren wichtig, da andernfalls die Versorgung von Kindern mit Schlaflaborleistungen im Einzugsbereich Berlin nicht mehr zur Verfügung gestanden hätten.

In einer Vielzahl weiterer Parallelverfahren, die vor dem Hintergrund der noch anhängigen Nichtzulassungsbeschwerden ruhend gestellt wurden, dürfte die Gegenseite die Forderungen nun anerkennen.